DE: “Einfach Orthodox” in Tübingen

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Wie wir wissen, ist Tübingen eine Universitätsstadt, fast ein Drittel der Einwohner der Stadt und des Landkreises sind Studenten! Es wäre daher seltsam, wenn eine orthodoxe Gemeinde keine missionarische Arbeit unter jungen Menschen leisten würde. Früher kamen Studenten oft in die Tübinger Kirche, um mit dem Gemeindepfarrer, Archimandrit Mitrophan, zu sprechen.

Anfang Juni beschlossen wir, uns regelmäßig zu treffen, konnten uns aber  nicht auf das Thema des ersten Treffens oder den Namen des Clubs einigen. Dabei half uns der Zufall.

Am 5. Juli 2022 kam die bekannte Forscherin Prof. Dr. Catherine Wanner aus den USA nach Tübingen. Sie hielt einen Vortrag über die religiöse Situation in der Vorkriegsukraine. Professor Wanner stellte die These auf, dass ein großer Anteil der ukrainischen Bevölkerung in der Vorkriegszeit zur Kategorie der so genannten “Einfach/Nur Orthodoxen” gehörte. Für diese Menschen waren die orthodoxe Tradition, der Glaube und der Gottesdienst von großem Wert. Allerdings spielte für sie die  Jurisdiktion, der eine bestimmte Kirche angehörte, keine große Rolle.

ich war als Pfarrer der Russisch-Orthodoxen Kirche und als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit einem Abschluss in Theologie eingeladen, direkt im Anschluss an Frau Prof. Wanner einen Antwortvortrag zu halten. Ich habe erklärt, dass der Begriff “einfach orthodox” zu einer neuen Identität für die orthodoxe Gemeinschaft in der gegenwärtigen Situation werden könnte, die durch den anhaltenden Krieg in der Ukraine unglaublich schwierig geworden ist. Entweder sind wir uns bewusst, dass wir in erster Linie “einfach orthodox” sind, oder wir teilen uns, je nach politischer Überzeugung, in viele Lager auf.

Dank dem Vortrag  am 5. Juli wurde klar, welchen Namen unser internationaler Jugendclub haben sollte: “Einfach Orthodox”. Außerdem kamen nach der Konferenz mehrere Zuhörer (Russen und Ukrainer) auf mich zu und teilten mir mit, dass die Referenten in ihren Vorträgen zwar die Themen umrissen, aber viele persönliche Fragen aus Zeitmangel nicht beantwortet hatten . Wir beschlossen, uns wieder zu treffen und darüber zu sprechen, wie die tragischen Ereignisse seit dem 24.02.2022 unser religiöses Leben verändert hat.

Zu unserem ersten offiziellen  Treffen am 13.07.2022 kamen sieben Personen. Es war wunderbar, dass auch eine deutsche Frau und zwei Studenten aus Russland an dem Gespräch teilnahmen. Wie es sich für einen internationalen Club gehört, war die Kommunikationssprache Englisch. Das Treffen selbst fand im Gemeindezentrum der Dietrich-Bonhoeffer-Gemeindestatt, dank der freundlichen Genehmigung von Pfarrerin  Angelika Volkmann.

Die nächste Sitzung ist für den 27. Juli geplant. Das Thema lautet: “Warum bin ich (nicht) orthodox? Wir werden darüber sprechen, was in der Tradition des orthodoxen Christentums am wertvollsten ist, über die Herausforderungen und Vorteile dieses Weges. Natürlich wird jeder die Möglichkeit haben, persönliche Fragen zu stellen oder kritische Anmerkungen zu machen. Wir laden alle Studierenden und Mitarbeiter der Universität zu einem interessanten und offenen Dialog ein.

Der Start unseres Vorhabens verlief nicht ohne interessante und bedeutsame Zufälle. der 13. Juli, der Tag des ersten Treffens des Clubs, ist auch der der Gedenktag von Alexander Schmorell, dem “orthodoxen Bonhoeffer”,. Der Neumärtyrer  war Mitbegründer einer der bekanntesten Widerstandsgruppen gegen den Nazionalsozialismus – der “Weißen Rose”.,  Er wurde am 13. Juli 1943 hingerichtet. Vielleicht wird der Heilige Alexander von München der Schutzpatron unseres internationalen orthodoxen Jugendclubs “Einfach orthodox”.

Aleksei Volchkov, priest